Wertewandel: Nun geht‘s um Wohnqualität

Wertewandel: Nun geht‘s um Wohnqualität
  • 19. Juli 2023 | Lisa Knoll
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Lag der Fokus nach Kriegsende zunächst noch auf der schnellen Schaffung von Wohnraum, richtete man den Wohnungsbau ab Mitte der 1950er-Jahre weitaus mehr auf die Langlebigkeit der Neubauten aus. Schon bald ging es nicht mehr um nur Kosteneffizienz.

Beim Bau familiengerechter Siedlungen und Eigenheime hatte sich die GSG in den vergangenen Jahren eine hohe Kompetenz erworben. 1955 steckte Oldenburg jedoch trotz aller Bemühungen noch mitten in der Wohnungsnot. Jeder fünfte Oldenburger war beim Wohnungsamt als Bewerber gelistet. Grund war nicht nur die Vielzahl an Kriegsflüchtlingen und Vertriebenen in der Stadt, sondern auch die Beschlagnahmung von Wohneigentum durch die britischen Besatzer, das erst nach massiven Protesten und zunehmender Kritik an der allgemeinen Wohnsituation wieder ihren Besitzern übergeben wurde.

Die Gartenstadt Ohmsteder Esch – ein Paradebeispiel für die stadtplanerischen Standards des kommenden Jahrzehnts

GSG Ohmsteder Esch05 02

Im Zuge dessen traten große Wohnungsbauprogramme in Kraft, um britische Siedlungen zu schaffen, in denen die Soldaten und ihre Familien fortan untergebracht werden sollten. Der Zutritt war für deutsche Bürger oftmals verboten. Im Stadtteil Ohmstede entstanden an der Eutiner, Birkenfelder und Küstriner Straße ab 1951 Reihenhäuser aus rotem Klinker, erbaut nach englischem Vorbild. Im September 1954 wurde mit dem Bau von 100 weiteren Wohneinheiten zwischen Mühlenhofsweg und Westeresch begonnen. Die „Barrac Blocks“ bestanden aus vier großen Mehrfamilienhäusern, umsäumt von weiträumigen Grünflächen. Verwaltungsgebäude, Sportplätze sowie eine Schule – erbaut auf dem Gelände der heutigen IGS Flötenteich – sollten die 30 Hektar große Fläche zu einem eigenen Stadtteil machen.

Musterbauten für die Bauausstellung

Angrenzend an die britische Enklave im Stadtnorden entstand ab Frühjahr 1955 ein neues Viertel mit 370 Wohnungen. Die „Gartenstadt Ohmsteder Esch“ rund um Stresemannstraße und Friedrich-Naumann-Straße sollte das Aushängeschild der im selben Jahr in Oldenburg stattfindenden Ausstellung „Wirtschaftlicher bauen – gesunder wohnen“ werden. Sie galt als Musterbeispiel für moderne Stadtplanung. Federführend war neben Stadtplanern und freischaffenden Architekten auch der GSG-Geschäftsführer und Architekt Arnold Braune.

Arnold Braune

Der in Danzig geborene Architekt Arnold Braune entwarf im Laufe seines Lebens etwa 7.000 Wohnungen. Besonderen Wert legte er auf effiziente Flächennutzung, durchdachte Grundrisse und ein hohes Maß an Wirtschaftlichkeit. Zusätzlich waren ihm weitläufige Grünflächen und große Kinderspielplätze zwischen Wohngebäuden ein persönliches Anliegen. Braune trat 1953 die Nachfolge von GSG-Hauptgeschäftsführer Paul Tantzen an und hatte dieses Amt bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1971 inne.

Den bauintensiven Monaten vor der Ausstellung war ein außergewöhnlich lang andauernder, harter Winter vorangegangen, sodass mit dem Bau der Gartenstadt erst verzögert begonnen werden konnte. Eine Verknappung von Baustoffen sorgte zudem dafür, dass am Ende nur ein Teil der Häuser termingerecht fertiggestellt werden konnte. Der Bau der Gartenstadt zog sich bis ins Jahr 1957 hin.

Bei der Schau in den kurz zuvor eröffneten Weser-Ems-Hallen wurden die neuesten Entwicklungen rund um Bautechniken und Inneneinrichtung ausgestellt, während auf dem an die Schau angegliederten Norddeutschen Baukongress hochrangige Redner die Ziele und Absichten der Wohnungspolitik des Bundes erläuterten. Schon an den ersten drei von insgesamt zehn Ausstellungstagen kamen insgesamt 70.000 Besucher, darunter einige hochkarätige Gäste. Auch eine Gruppe Baufachberater der türkischen Regierung und Fachpublikum aus den Niederlanden, dem Libanon und den USA fanden ihren Weg nach Oldenburg.

Räumung der Hindenburg-Kaserne

Während im Stadtnorden die Bautätigkeit noch in vollem Gange war, wurden im Stadtsüden erste Vorbereitungen für ein weiteres Großprojekt getroffen. 1956 wurde im Rahmen des von der Stadt durchgeführten Kasernenräumprogramms beschlossen, dass 440 Wohneinheiten zur Umsiedlung der ehemaligen Bewohner der Hindenburg-Kaserne gebaut werden sollen. Oldenburg nutzte die Wiederaufrüstung der Stadt, um einen neuen, modernen Stadtteil zu etablieren – und das mit gewohnt zügiger Vorgehensweise, denn im Oktober 1957 waren bereits 300 Familien umgesiedelt.

Zählbar

1.956

lebte jeder sechste Oldenburger in einer GSG-Wohnung.

Sieben Gesellschaften waren am Bau der Ersatzsiedlung für ehemalige Kasernenbewohner beteiligt. Die GSG verantwortete den Bau von Wohnungen am Osternburger Schiebenkamp und am Schellenberg südlich der Klingenbergstraße. Hier feierte die GSG übrigens einen besonderen Meilenstein: Im Juli 1956 konnte die 5.000. GSG-Wohnung fertiggestellt und an ihre neuen Bewohner übergeben werden. Es folgten weitere Bauten am Windmühlenweg und am Alten Postweg. Auch hier baute man nach dem aus den Vorjahren bereits bewährten „Koopmann-Prinzip“ und beteiligte die späteren Bewohner am Großteil der zu verrichtenden Arbeiten.

Große Veränderungen in Kreyenbrück

Parallel wurde auch im Bereich nördlich der Klingenbergstraße gebaut. Hier entstand eine Siedlung mit 255 Wohneinheiten, die zunächst den Beschäftigten der Allgemeinen Electricitätsgesellschaft (AEG) vorbehalten war. 1947 hatte der Elektrokonzern die erste Fertigungshalle in Kreyenbrück gebaut. Schon bald wuchs die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens für die Stadt enorm, denn aus anfangs 30 Mitarbeitern wurden bis 1951 schon 700, in den Folgejahren kletterte die Zahl der Beschäftigten über die 1.000er-Marke. 70 Prozent der Mitarbeiter waren Kriegsflüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, gut die Hälfte von ihnen Frauen. Um der Vielzahl an Mitarbeitern Wohnraum zu bieten, wurde zwischen 1956 und 1962 rund um die Klingenbergstraße ein neues Viertel geschaffen, das in der Bevölkerung schnell den Namen „AEG-Siedlung“ erhielt.

Wissenswert

Namenspate Klingenberg

Eine der wichtigsten Straßen Kreyenbrücks und ihr zentraler Platz wurden nach Prof. Dr. Georg Klingenberg benannt. Der 1925 verstorbene Geheime Baurat war seit 1902 im Vorstand der AEG und gilt als Wegbereiter der Elektrifizierung. Er leistete Pionierarbeit mit dem Bau von E-Werken in aller Welt.

Die AEG-Siedlung erstreckte sich über die Klingenbergstraße und die an sie angrenzenden Abzweiger Brandenburger Straße, Marburger Straße und Frankfurter Weg. Die letzten freien Einheiten wurden später an das Personal des nahegelegenen Krankenhauses vergeben. Daraus ergab sich ein weiteres großes Bauprojekt in direkter Nachbarschaft, das in den 1970er-Jahren zum markantesten Punkt des Viertels werden sollte: das 1976 fertiggestellte Schwesternwohnheim mit 75 Zweizimmerapartments in der Klingenbergstraße.

Und auch die Vorbereitungen für weitere Großprojekte des kommenden Jahrzehnts warfen Ende der 1950er-Jahre bereits ihre Schatten voraus: In Eversten wurde der erste Spatenstich für ein zweites „Gartenstadt-Projekt“ gesetzt, in Bürgerfelde das erste Hochhaus Oldenburgs angekündigt und in Bloherfelde die bis heute bekannteste Wohnsiedlung des Stadtteils geplant.

LESETIPP

Heft 2: Die Nachkriegszeit

Flüchtlinge und Vertriebene machen Oldenburg nach dem Krieg zur Großstadt. Zur wichtigsten Aufgabe dieser Zeit wird der Wohnungsbau. Die Menschen brauchten ein Dach über dem Kopf. Damit schlägt die große Stunde der GSG.

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