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Kooperation

Zusammen mit der GSG hat das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) einen Treffpunkt, eine zweite Heimat und einen Arbeitsplatz für alle geschaffen

  • 04. Oktober 2023 | Katja Hofmann
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Im Oktober 2019 eröffnete die Jugendherberge Oldenburg unter der Bauherrschaft der GSG. Nun jährt sich dieses Ereignis zum vierten Mal – der perfekte Anlass für einen Blick hinter die Kulissen bei Hausleiter Markus Acquistapace.

Wer die Jugendherberge an der Straßburger Straße betritt, fühlt sich sofort willkommen. Mit einem breiten Lächeln begrüßt der junge Mann an der Rezeption die Gäste – egal, ob sie zum Essen in der Mittagspause vorbeikommen oder in ihr Zimmer einchecken wollen. Rechts neben der Rezeption liegt das Büro von Markus Acquistapace. Lautes Lachen ist daraus zu hören.

In die Besprechung der Abteilungsleitenden hat sich ein ungebetener, schwarz-gelb gestreifter Gast eingeschlichen. Mit Papierbogen und Kaffeebecher versucht der Chef der Runde, die laut surrende Wespe einzufangen. Ein paar ungehaltene Kraftausdrücke fallen, die das Tierchen hoffentlich nicht verstehen kann. Doch wirklich böse ist niemand, im Gegenteil: Die sechs Anwesenden können sich vor Lachen kaum auf den Stühlen halten. Endlich ist das Insekt wieder in Freiheit und die Besprechung kann weitergehen.

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Hausleiter Markus Acquistapace

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Die Jugendherberge ist sein Herzensprojekt.

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Markus Acquistapace ist Hausleiter der Jugendherberge Oldenburg. Seine Wespen-Waffe auf den Schreibtisch fallen lassend sinkt er zurück in seinen Bürostuhl und schlägt fröhlich, aber bestimmt die Beine übereinander. Unter seiner schicken Stoffhose blitzen bunt gestreifte Socken hervor. Er hört ruhig zu, was seine Abteilungsleitenden berichten. Geht direkt, aber sanft auf die Anliegen ein. Wenn jemand den Kopf ins Büro steckt, reicht ein Blickkontakt und ein auf die Lippen gelegter Zeigefinger, um deutlich zu machen, dass Unterbrechungen nicht erwünscht sind. Doch sein fröhlicher Blick und die kleinen Lachfältchen um die Augen lassen ihn dabei keineswegs verärgert, sondern immer nahbar und freundlich wirken. Markus Acquistapace weiß, was er will. Und was er tut, tut er mit Leidenschaft. Da wundert es wenig, dass der 47-Jährige die Entwicklung der neuen Oldenburger Jugendherberge und des Gastronomiekonzepts des Schirrmann‘s gern als sein Herzensprojekt bezeichnet.

Der erste Spatenstich – v.l.n.r. Marcus Heisterkamp (Projektverantwortlicher DJH), Thorsten Richter (Geschäftsführer DJH), Ulf Prange (SPD-Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag), Stefan Könner (Geschäftsführer GSG OLDENBURG), Jürgen Krogmann (Oberbürgermeister Stadt Oldenburg), Gabriele Nießen (ehem. Bau- und Verkehrsdezernentin Stadt Oldenburg), Dirk Hoffmann (Aufsichtsratsvorsitzender DJH), Dr. Malte Selugga (Architekt)

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Vom Gastronomen zum Herbergsleiter

Die Planungsphase begann 2016 mit Fragen über Fragen: Wie soll die Herberge aussehen? Welche Materialien werden verwendet? Wer wird angestellt? Auf die baulichen Fragen hatten die Bauherrin GSG OLDENBURG und der federführende Architekt Dr.-Ing. Malte Selugga von Selugga & Selugga Architektur die Antworten. Die Betreiberkonzeption lag in den Händen des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH). Und von Erstentwurf bis Einstellungsgespräch war auch Markus Acquistapace dabei. Seit der Eröffnung im Oktober 2019 entwickelt die Jugendherberge sich stetig weiter. Nach einem coronabedingt holprigen Start mit nur 10.000 Übernachtungen im Jahr 2020 hatte sich die Anzahl der Buchungen zwei Jahre später bereits verdreifacht. Mittlerweile sind oft alle Zimmer ausgebucht. Und es gibt nicht nur mehr als doppelt so viele Übernachtungen: „Zu Beginn hatten wir 25 Mitarbeitende, heute sind es 60“, berichtet Acquistapace. Diese arbeiten nicht nur an der Rezeption oder im Zimmerservice, sondern auch in der Gastronomie Schirrmann’s.

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Schirrmann’s statt Speisesaal

In der Jugendherberge Oldenburg gibt es keinen klassischen Speisesaal mehr, in dem morgens Muckefuck und abends Gemüseeintopf serviert werden. Das Schirrmann’s ist Café, Bar und Bistro in einem. Stets Teil der Speisekarte: Nachhaltigkeit und Qualität. „Wir haben alte Food-Konzepte aufgebrochen“, so Acquistapace. Und was heißt das? „Möglichkeiten“, lautet die schlichte Antwort. So gibt es jeden Tag eine vegetarische Option, nicht selten auch vegan.

Die Zutaten sind überwiegend regional, von Äpfeln aus dem Alten Land bis hin zu Fleisch aus dem nahen Lastrup. Nudeln, Reis, Kaffee und Tee gibt es in Bioqualität. Frisch kochen lautet die Devise. „Wenn wir eine Gemüsepfanne servieren, mischen wir die Zutaten nicht vorab, sondern garen alle Komponenten einzeln und wärmen sie nur bei Bedarf auf“, gibt ein Mitarbeiter aus der Küche ein Beispiel, während er besagtes Gericht mit schwungvollen Bewegungen zubereitet. „Falls etwas übrig bleibt, können wir es noch für andere Gerichte verwenden. In den Schweineeimer kommt hier nichts.“

Hätten Sie's gewusst?

600

Portionen

werden pro Tag in der Schirrmannschen Küche zubereitet.

Das Ziel: mit der Zeit gehen. Neue Ideen entwickeln. Und trotzdem das ursprüngliche Leitbild mitsamt seiner Traditionen beibehalten. „Als wir 2016 mit den Planungen der neuen Jugendherberge begannen, wollten wir die modernste im Nordwesten schaffen. Das ist uns gelungen“, sagt Stefan Könner, Geschäftsführer der GSG OLDENBURG. „Natürlich gibt es bei uns immer noch Hagebuttentee – aber in lecker“, ergänzt Markus Acquistapace lachend. Und tatsächlich: Wenn man die Augen schließt und den leicht säuerlichen, warmen Tee auf der Zunge schmeckt, denkt man sofort an die Klassenfahrten der Kindheit zurück.

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Übrigens:

Auch bei der Jugendherberge Schillighörn gibt es bereits ein Schirrmann’s – in Form eines flotten Foodtrucks direkt am Nordseestrand.

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Der Mann mit dem Hut

Wer ist eigentlich der Mann, der unter anderem auf dem Etikett der hauseigenen Schirrmann’s-Brause abgebildet ist? Das ist Richard Schirrmann. Es heißt, dass er 1909 mit seinen Schülern Schutz vor einem Gewitter in einer leeren Dorfschule suchte. Dort hatte er die Idee der Jugendherberge. Im Sommer 1914 wurde die erste Jugendherberge der Welt eingeweiht, Richard Schirrmann war der Herbergsvater. Er war auch der erste Vorsitzende des Deutschen Jugendherbergswerkes. Heute gibt es weltweit mehr als 4500 Jugendherbergen.

Die Tür zum Schirrmann’s steht für alle Oldenburgerinnen und Oldenburger offen – zum Mittagsbuffet, für Kaffee und Kuchen auf der sonnigen Außenterrasse oder auf ein Feierabendbier mit Freunden. Bis zu 150 externe Gäste werden täglich versorgt, nicht selten trifft man in der Mittagspause auch Mitarbeitende der GSG OLDENBURG an. Auch Veranstaltungen wie Comedy-Abende, Hochzeiten oder Betriebsfeiern finden hier statt. Die hauseigene Produktreihe, beispielsweise mit der Schirrmann’s-Brause und bald auch einer eigenen Kaffeesorte, trägt zur Bekanntheit bei. Der Herbergsleiter sagt: „Die Jugendherberge bleibt eine Jugendherberge und um hier zu übernachten, muss man nach wie vor Mitglied beim Deutschen Jugendherbergswerk sein. Aber das Schirrmann’s ist für alle da!“ – zum Beispiel Schulklassen, Backpacker und Familien.

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In der Jugendherberge kann man nicht nur übernachten, sondern auch tagen. Die fünf Tagungsräume tragen die Namen der umliegenden Flüsse: Ems, Jade, Weser, Hunte und Haaren.

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Alle Räume sind hell und freundlich eingerichtet. In einem Doppelzimmer lässt sich ruckzuck Platz für vier schaffen, denn der unscheinbare Schrank ist zugleich ein ausklappbares Bett.

Ein Ort für alle

Das barrierefreie Haus macht deutlich, dass ausnahmslos alle willkommen sind – und das vor und hinter den Kulissen. Denn die Jugendherberge Oldenburg ist ein Inklusionsbetrieb. „Vom Service über die Küche bis zum Housekeeping beschäftigen wir unter anderem Menschen mit Autismus, Depressionen oder körperlichen Einschränkungen“, berichtet Markus Acquistapace. Alle Mitarbeitenden bekommen dasselbe Gehalt. „In der Gesellschaft ist leider noch immer die Meinung verbreitet, dass Menschen mit Behinderung am besten Geschirr spülen oder Kartoffeln schälen könnten. Aber das ist nicht so!“ Acquistapace legt die Stirn in Falten. Für ihn bedeutet eine Behinderung nicht, weniger Möglichkeiten zu haben. „Jeder Mensch kommt mit individuellen Einschränkungen, aber auch Talenten, Fähigkeiten und Wünschen zu uns, nicht selten auch bereits mit einer abgeschlossenen Ausbildung. Und was der Mensch kann und will, wird ihm auch ermöglicht.“

Hätten Sie's gewusst?

60

Mitarbeitende

sind insgesamt in der Jugendherberge beschäftigt. Die Hälfte hat eine Behinderung.

Zurück zum Mitarbeiter an der Rezeption. Er hat eine fortschreitende Muskelschwäche und sitzt seit seinem zwölften Lebensjahr im Rollstuhl. Zum Zeitpunkt seiner Einstellung konnte er noch eine normale Tastatur bedienen. Mittlerweile kann er seine Arme kaum noch bewegen und schreibt auf einer Mini-Tastatur, keine 20 Zentimeter breit. „Wenn das nicht mehr geht, wird ein Kamerasystem angeschafft, mit dem man mit den Augen schreiben kann“, sagt Markus Acquistapace voraus. „Solange es irgendwie möglich ist, passen wir den Arbeitsplatz an den Arbeitnehmer an.“ Und das ist ein Versprechen.

Feuer und Flamme für den Beruf

Deutlich wird: Markus Acquistapace ist ein respektvoller Chef. Und er ist unheimlich gern Gastgeber. Diese Leidenschaft möchte er an seine Mitarbeitenden weitergeben – vor allem an seine 14 Auszubildenden, die in der Jugendherberge unter anderem Hotelfachleute, Fachkräfte im Gastgewerbe oder Kaufleute für Tourismus und Freizeit werden.

Im Betrieb herrscht das Du, alle werden gefordert und gefördert, bei der Arbeit wird über Witze und Wespen gelacht. „Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht gern zur Arbeit fahre“, bringt Acquistapace es auf den Punkt. Dasselbe wünscht er sich für seine Mitarbeitenden. Denn für ihn schließt sich an dieser Stelle ein Kreis. Nun kann der gelernte Koch durch die besondere Verbindung zwischen Übernachtungsbetrieb und Schirrmann‘s weiter sowohl Gastronom als auch Gastgeber sein. Er möchte das Haus weiter nach vorn bringen, das Konzept des Schirrmann’s ausbauen, ein attraktiver Ausbildungsbetrieb bleiben. „Luft nach oben ist sowieso immer. Aber hier bin ich beruflich angekommen."

Die Jugendherberge Oldenburg …

… liegt an der Straßburger Straße 6 mit insgesamt etwa 3.600 m² Nutzfläche.
… verfügt über 64 Einzel- bis Vierbettzimmer mit eigenem Sanitärbereich.
… ist ein Inklusionsbetrieb mit 60 Mitarbeitenden, davon sind 14 Auszubildende.
… hat 3 barrierefreie Zimmer.
… stellt 5 Tagungsräume und eine Tagungslounge zur Verfügung.
… besitzt einen Fahrradschuppen mit E-Bike-Ladestationen und Fahrradverleih.
… bietet Snacks „to go“ rund um die Uhr.
… ist 24 Stunden an der Rezeption besetzt.

Hier gibt es noch mehr Informationen.

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