Gewalt, die im Verborgenen wächst

Wenn das Zuhause kein sicherer Ort mehr ist

Gewalt, die im Verborgenen wächst

Wenn das Zuhause kein sicherer Ort mehr ist
  • 25. November 2024 | Tamara Zimdahl
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Jede dritte Frau erlebt mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt – doch diese Zahl erzählt nur einen Teil der Geschichte. Gewalt gegen Frauen ist oft unsichtbar, bleibt unerhört oder wird systematisch verdrängt. Johanna Lipski, Gewaltschutzkoordinatorin bei der Stadt Oldenburg, kennt diese Realität nur zu gut. Am „Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“, dem 25. November, wird diese stille Realität ins Licht gerückt. Dabei ist sicherer Wohnraum oft der erste Schritt für Betroffene, um aus der Gewaltspirale zu entkommen.

Foto Lipski privat

Johanna Lipski, Gewaltschutzkoordinatorin im Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg

„Gewalt gegen Frauen ist kein privates Problem. Es betrifft uns alle, und wir dürfen nicht wegsehen“, sagt Johanna Lipski, Gewaltschutzkoordinatorin im Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg. In ihrer täglichen Arbeit wird sie immer wieder mit dem erschreckenden Ausmaß häuslicher Gewalt konfrontiert. Besonders alarmierend: Die Zahl der Femizide, also der Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts, stieg 2023 erneut an. Frauen sind zu oft Opfer in ihren eigenen vier Wänden, einem Ort, der eigentlich Schutz bieten sollte.

Das Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg

Das Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg spielt in Oldenburg eine wichtige Rolle im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Es teilt sich in zwei große Arbeitsbereiche: die interne und die externe Gleichstellungsarbeit. Während die interne Gleichstellungsarbeit die geschlechtsspezifischen Belange innerhalb der Stadtverwaltung umfasst, richtet sich die externe Arbeit an die Öffentlichkeit und die Bürger:innen.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialen Institutionen und Arbeitskreisen, wie dem „Arbeitskreis Häusliche Gewalt“ im Präventionsrat Oldenburg, setzt sich das Büro für den Schutz und die Unterstützung von Frauen ein. Dazu gehört nicht nur die Prävention von Gewalt, sondern auch die Aufklärung der Gesellschaft und die Förderung von Gleichstellung in allen Lebensbereichen.

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Die stille Eskalation häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt ist eines der häufigsten Verbrechen, das in der Mehrzahl der Fälle Frauen betrifft. 256.276 Fälle häuslicher Gewalt wurden 2023 zur Anzeige gebracht; 6,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Diese Form der Gewalt ist komplex und reicht von psychischer Misshandlung über körperliche Gewalt bis hin zu sexualisierter Gewalt. Dabei zeigt sich oft ein fatales Muster: Frauen, die sich Hilfe suchen, tun dies oft erst nach jahrelangem Leiden. „Es ist ein schleichender Prozess, der Frauen in die Isolation treibt“, erklärt Lipski. „Viele schämen sich oder haben Angst, ihre Partner zu verlassen, weil sie nicht wissen, wo sie Schutz finden sollen.“

Die steigende Anzahl an Femiziden 2023 verdeutlicht das Ausmaß dieser Problematik. Allein in Deutschland wurden laut offiziellen Zahlen 155 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen, da viele Fälle nicht als Femizide klassifiziert werden. Gewalt gegen Frauen wird zu oft als Beziehungsdrama oder Einzelfall abgetan, doch in Wahrheit ist sie Ausdruck eines tief verwurzelten gesellschaftlichen Problems.

Gewalt in Zahlen

155

Frauen

wurden 2023 in Deutschland Opfer von Mord oder Totschlag durch ihren Partner oder Ex-Partner.

Was getan werden muss

Im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt ist Prävention ein wichtiger Schlüssel. Schulen, Behörden, Nachbar:innen – sie alle müssen sensibilisiert werden, um Gewalt frühzeitig zu erkennen und Hilfestellung zu bieten. Doch was, wenn der Weg aus der Gewaltspirale gefunden werden muss? Hier kommen lokale sowie überregionale Unterstützungsangebote ins Spiel, so Johanna Lipski: „Wir müssen Frauen ermutigen, sich frühzeitig Hilfe zu suchen, und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind.“

Sichere Orte schaffen: Wohnraum als Schutzraum

Für viele Frauen ist der erste Schritt aus der Gewalt ein sicherer Ort, an dem sie zur Ruhe kommen können. Hier setzt die GSG OLDENBURG als Kooperationspartnerin an: „Wir stellen Wohnraum zur Verfügung und arbeiten mit lokalen Hilfsorganisationen zusammen, um betroffenen Frauen in Not eine Perspektive zu bieten“, so Stefanie Brinkmann-Gerdes vom Sozialen Dienst. „Unsere Wohnungen bieten nicht nur Schutz, sondern auch die Chance, ein neues Leben aufzubauen.“


Eine von vielen Initiativen des Gleichstellungsbüros: Zum Valentinstag machten Sattelschoner mit dem Hilfetelefon-Aufdruck eindringlich auf das Thema Gewalt gegen Frauen aufmerksam.

Fahrradreihe Bahnhof 3

Die Bereitstellung von Wohnraum ist ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit mit Initiativen wie der Stadt Oldenburg und verschiedenen sozialen Trägern. Frauen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, benötigen nicht nur eine vorübergehende Unterkunft, sondern auch langfristige Unterstützung, um wieder auf die Beine zu kommen. „Hier kann Wohnraum eine zentrale Rolle spielen“, erklärt Lipski. „Ein sicheres Zuhause ist die Basis für alles Weitere.“

Hilfsangebote, die Leben retten

In Deutschland gibt es zahlreiche Hilfsangebote, die Frauen in Not unterstützen. Dazu gehören Notrufe, Beratungsstellen und Frauenhäuser. Die bundesweite Hotline für Gewalt gegen Frauen (08000 116 016) ist rund um die Uhr erreichbar und bietet Unterstützung in 18 Sprachen.

Diese Zusammenarbeit von sozialen Einrichtungen, Polizei, Justiz und Wohnungsbaugesellschaften ist entscheidend, um Gewalt gegen Frauen nachhaltig zu bekämpfen. „Denn was wir brauchen, sind keine kurzfristigen Lösungen, sondern nachhaltige Veränderungen. Der Schutz von Frauen muss in unserer Gesellschaft oberste Priorität haben – jeden Tag, nicht nur am Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“, so Lipski.


„Es reicht nicht aus, nur auf die Opfer zu schauen. Wir müssen auch darüber reden, warum diese Gewalt überhaupt entsteht und wie wir gesellschaftliche Strukturen verändern können, die diese ermöglichen.“

Johanna Lipski, Gewaltschutzkoordinatorin im Gleichstellungsbüro der Stadt Oldenburg

Gewalt hat viele Gesichter

Es gibt viele Arten von Gewalt, und ebenso vielfältig müssen unsere Antworten darauf sein. Prävention, Schutzräume und Unterstützungsangebote bilden dabei das Rückgrat, aber auch die gesellschaftliche Sensibilisierung sowie der Blick auf (potenzielle) Täter dürfen nicht vernachlässigt werden. „Es reicht nicht aus, nur auf die Opfer zu schauen“, sagt Lipski. „Wir müssen auch darüber reden, warum diese Gewalt überhaupt entsteht und wie wir gesellschaftliche Strukturen verändern können, die diese ermöglichen.“

Ob psychische oder physische Gewalt, ob ökonomische Abhängigkeiten oder Manipulation – all das gehört zum Gesamtbild der Gewalt gegen Frauen. Johanna Lipski weiß: „Jede Geschichte, die erzählt wird, ist eine zu viel. Und gleichzeitig sind diese Geschichten der Anstoß dafür, endlich aktiv zu werden.“

Hilfsangebote in der Region

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