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Eine Basis der solidarischen Stadt

  • 25. September 2024 | Claus Spitzer-Ewersmann
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Egal, aus welcher Blickrichtung man es betrachtet: In Deutschland fehlt es an Wohnraum. Vor allem kostengünstige Wohnungen sind zurzeit kaum zu haben. Wie steht es um den sozialen Wohnungsbau, der auf Förderung von Bund und Land angewiesen ist?

An der Soltauer Straße in Harpstedt (Landkreis Oldenburg) herrscht rege Bautätigkeit. Die GSG OLDENBURG errichtet hier zwei Gebäude, in die voraussichtlich zur Mitte des Jahres 2025 sechs Mietparteien einziehen können. Die Wohnungen werden zwischen 50 und 78 Quadratmeter groß sein und im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus ausschließlich an Interessierte vergeben, die einen Wohnberechtigungsschein haben. Auch in Ganderkesee, Dötlingen und Hude wurden in den letzten Jahren durch das Unternehmen Neubauten für Menschen mit kleinen Einkommen geschaffen.

Harpstedt gsg oldenburg

Geförderter Wohnungsbau in Harpstedt: Hier baut die GSG OLDENBURG zwei Häuser mit insgesamt 12 Wohneinheiten.

Das Vorhaben in Harpstedt wird von der NBank, der Förderbank des Landes Niedersachsen, finanziell unterstützt. „Anders“, so sagt Daniel Jircik, der Generalbevollmächtigte der GSG OLDENBURG, „ließen sich diese Projekte und viele weitere heutzutage nicht mehr wie gewünscht realisieren“. Das Problem: Wohnungsbau ist teuer geworden. Zu teuer. Der Anstieg der Material- und Energiekosten macht es für viele Bauträger ebenso unrentabel wie hohe Zinsen oder zwingend notwendige, aber kostspielige Klimaschutzmaßnahmen. Diese treiben auch die Preise von Sanierungen des Wohnungsbestands in die Höhe.

Um alle Anforderungen erfüllen zu können, fallen die Fördergelder zu gering aus. Die Folgen trägt, wer nach einer kostengünstigen Wohnung sucht. Um die Investitionen wieder reinzuholen, müsste nämlich nach Aussage von Fachleuten pro Quadratmeter einer neuen Wohnung eine Miete von 18 bis 22 Euro erhoben werden. Im sozialen Wohnungsbau liegt die Grenze in Harpstedt bei 5,90 bzw. 7,30 Euro, das gesamte Spektrum geht von 5,90 bis 7,80 Euro. Die Beträge dürfen um bis zu 0,30 Euro erhöht werden, wenn der Wohnraum mindestens das Niveau eines KfW-Effizienzhauses 40 erreicht. Keine Frage, da passt etwas nicht zusammen.

Ursprung im Mittelalter

Jakob Fugger gilt als Urvater des sozialen Wohnungsbaus

Jakob Fugger

1514 hatte der Augsburger Kaufmann und Bankier die weltweit erste Sozialsiedlung bauen lassen. In den für je zwei Parteien ausgelegten 52 Häusern durften unverschuldet in Not geratene Menschen katholischen Glaubens einziehen. Pro Jahr wurde eine Miete von einem Rheinischen Gulden fällig; so hoch war etwa das Monatseinkommen eines Tagelöhners. Den Obolus sah Fugger als wichtig an, damit sich niemand als Almosenempfänger fühlen musste, der in seinen Häusern lebte. Die Fuggerei, wie die Siedlung bald genannt wurde, steht noch heute. Eine Mieterhöhung hat es nie gegeben. Wer hier wohnt, muss im Jahr genau 88 Cent bezahlen, was in etwa einem Rheinischen Gulden von damals entspricht.

Oldenburgs Sprung zur Großstadt

Der soziale Wohnungsbau hat in Deutschland seit seiner Einführung in den 1950er-Jahren eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die Grundidee ist denkbar einfach: Der Staat bezuschusst den Bau von Wohnungen, so dass diese an Menschen mit niedrigen Einkünften vergeben werden können. Über eine längere Laufzeit – 30 oder 35 Jahre – darf die Miete nur moderat erhöht werden. Mieterhöhungen sind in den ersten drei Jahren der Mietbindung nicht zulässig. Ab Beginn des vierten Jahres dürfen Steigerungen innerhalb von drei Jahren – von Erhöhungen der Betriebskosten nach abgesehen – nicht mehr als 6,15 Prozent betrage. Nach Ende der Preisbindung istdie Miete frei verhandelbar.

Oldenburg wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch den sozialen Wohnungsbau zur Großstadt. Lag die Einwohnerzahl zu Kriegsbeginn 1939 noch bei 75.000, stieg sie bis 1948 auf 125.000 an. Die Gemeinnützige Siedlungsgesellschaft mbH Oldenburg, 1921 als Vorläuferin der heutigen GSG gegründet, begann früh, für preiswerten Wohnraum zu sorgen. Ein von der Stadt Oldenburg Ende 1948 aufgelegter sozialer Wohnungsbaufonds ermöglichte es, mehr als 2.200 Mietwohnungen und Kleinsiedlungen zu bauen. Zu erschwinglichen Mieten kamen sie in erster Linie jungen Familien zugute. Damit wurde eine tragfähige Basis der solidarischen Stadt geschaffen.

Zuwanderung im Westen des Landes

Insgesamt entstanden in der früheren Bundesrepublik bis 2002 etwa 8,7 Millionen geförderte Wohnungen, die meisten in der Zeit von 1950 bis 1970. Dann erschien der Politik die Versorgung der Bevölkerung gesichert. Die Förderleistung nahm ab, Ende der 1980er-Jahre war der Tiefpunkt erreicht. „Deutschland ist fertig gebaut“ hieß es bald.

Ein Irrtum. War der Wohnungsmarkt in den 1980ern noch durch Nachfrageeinbrüche, Leerstände und Vermietungsprobleme vor allem in den Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus gekennzeichnet, änderte sich die Situation Ende des Jahrzehnts gravierend. Die deutsche Einheit und der Niedergang der früheren Sowjetunion führten zu erheblichen Zuwanderungen ins westliche Bundesgebiet und zu einem neuerlichen Anstieg der Bautätigkeit. Folge: 1991 lag die Zahl neuer Sozialwohnungen fast um das Zweieinhalbfache über der von 1988.

In Oldenburg begann die GSG OLDENBURG, mit einer seinerzeit ungewöhnlichen Maßnahme eigene Akzente zu setzen. Es geht ihr seither nicht mehr nur um den Bau und die Vermietung preiswerten Wohnraums, sondern um ein ganzheitliches soziales Konzept. Schon 1985 war ein Psychologe eingestellt worden, um sich um die Interessen und Anliegen der Mietenden zu kümmern. Der damals eingeschlagene Weg wird bis jetzt beschritten und gilt als beispielhaft.

GSG Sozialbau

So ist der Bestand an Sozialwohnungen in Niedersachsen geschrumpft. Quelle: Pestel Institut

Zahl der Sozialwohnungen sinkt rapide

Der Aufschwung hielt nicht lange an. Nachdem kurz zuvor den Wohnungsgesellschaften das Privileg der Gemeinnützigkeit aberkannt worden war, zogen sich Mitte der 1990er-Jahre Bund und Länder aus der Förderung zurück. Einzelne Kommunen verkauften Teile ihres Bestands an Investoren, die nach Auslaufen der Preisbindung sofort die Mieten erhöhten.

Das wirkt sich bis in die heutige Zeit aus. Vergleicht man die aktuelle Zahl neugebauter Sozialwohnungen mit der der Ausfälle, steht ein dickes Minus in der Bilanz. So wurde 2022 bundesweit der Bau von 22.500 Einheiten bewilligt. Gleichzeitig fielen jedoch 36.500 aus der Preisbindung. Alles in allem fehlen in Deutschland nach Angaben des Pestel Instituts zurzeit mindestens 700.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Anspruch darauf dürften aber mehr als elf Millionen Haushalte erheben.

Beispiel Niedersachsen

51.250

Sozialwohnungen

Auch in Niedersachsen ist die Zahl in den letzten Jahren beständig gesunken. Im Dezember 2023 gab es nach offiziellen Angaben rund 51.250 Sozialwohnungen, etwa 1.400 weniger als im Vorjahr. Zum Vergleich: Ende 2016 lang der Bestand noch bei über 85.000.

Lobende Worte von der Bauministerin

Auch wenn die Rahmenbedingungen zurzeit keineswegs die besten sind, will Daniel Jircik sich nicht entmutigen lassen: „Nicht bauen ist auch keine Lösung“, betont der GSG-Generalbevollmächtigte mit Nachdruck. „Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht. Ich sehe es deshalb nach wie vor als unsere wichtigste Aufgabe an, allen Menschen in der Stadt und im Landkreis Oldenburg ein würdevolles Leben in einer eigenen Wohnung zu ermöglichen.“

Dass das funktionieren kann, zeigt der Blick in Richtung des ehemaligen Fliegerhorstes im Oldenburger Stadtnorden. Im Gebiet Helleheide entsteht durch die GSG ein hochmodernes, barrierefreies und klimafreundliches Quartier mit 124 Wohneinheiten. 65 davon, also mehr als die Hälfte, werden öffentlich aus Landesmitteln gefördert und später an Personen mit B-Schein vermietet. Bei einem Besuch im April 2024 überzeugte sich die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz vom Baufortschritt und lobte das „facettenreiche Leuchtturmprojekt“.

Bund verspricht Aufstockung der Förderung

Für einen Hoffnungsschimmer hinsichtlich der zukünftigen Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus sorgte Anfang 2024 die Bundesregierung. Sie gab bekannt, die Länder im laufenden Jahr mit 3,15 Milliarden Euro zu unterstützen. Davon sind 500 Millionen Euro für das im Koalitionsvertrag vorgesehene Bund-Länder-Programm „Junges Wohnen“ zur Förderung des studentischen Wohnens und des Wohnens für Auszubildende vorgesehen. Das Pestel Institut sieht in der Erhöhung der Bundesmittel „einen wichtigen Schritt, um eine Wende in der Entwicklung des Sozialwohnungsbestands herbeizuführen“.

Bis 2027 will der Bund darüber hinaus trotz komplizierter Haushaltslage 18,15 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die Länder geben außerdem mindestens 30 Prozent dazu. „Insgesamt“, so Ministerin Geywitz, „schaffen wir es so gemeinsam, voraussichtlich über 45 Milliarden Euro in den öffentlich geförderten Wohnungsbau bis ins Jahr 2027 zu investieren.“ Ein großer finanzieller Kraftakt, „der zeigt, welche Bedeutung die Neuschaffung bezahlbaren Wohnraums in Deutschland für uns hat“, fügt sie an.

So könnte der Erfolgsgeschichte des sozialen Wohnungsbaus doch noch ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden.

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